Über den Damm ins Licht – Von Stralsund nach Rambin
Der Tag begann mit Salz auf den Lippen und Möwengeschrei im Nacken. Stralsund roch noch nach Nacht, nach Kopfsteinpflasterregen und Hafenluft. Ich schob mein Rad aus dem kleinen Innenhof meiner Unterkunft in der Altstadt, die noch im Halbschlaf lag. In den Fenstern spiegelte sich das erste Gold des Morgens.
Es war der Auftakt meiner Fahrradtour über Rügen, einer Reise in Etappen, immer dem Wind entgegen, immer der Küste entlang. Doch bevor ich richtig auf Rügen war, wartete heute ein kurzes, aber eindrückliches Stück: von Stralsund nach Rambin, über den Rügendamm, vorbei an Altefähr, mit Blick auf den Strelasund. Eine Route, die sich nicht über die Distanz definiert – sondern über die Übergänge. Vom Festland zur Insel. Vom Lärm zur Weite.
Kopfsteinpflaster und Kathedralen
Ich rollte durch die Stralsunder Altstadt, wo die Häuser schief waren wie Geschichten. Backstein, Spitzbögen, rote Dächer – die alten Giebel erzählten vom Hansehandel, vom Meer, von Stürmen. Am Alten Markt streckte sich das Rathaus in gotischer Selbstsicherheit dem Himmel entgegen, während gegenüber die Marienkirche im Dunst fast ins Blau überging.
Ein älterer Herr mit einem Seesack und einem Thermobecher trat aus einem Café und nickte mir zu. „Richtung Rügen?“ fragte er, und ich nickte. „Schön. Aber pass auf den Wind auf dem Damm auf. Der will einen manchmal zurückschicken.“ Ich lachte – später sollte ich verstehen, was er meinte.
Der Rügendamm: Eine Brücke in die Weite
Der Weg zum Damm war einfach zu finden – alle Wege führen Richtung Wasser. Und dann liegt er plötzlich vor einem, dieser Rügendamm, diese Radroute zwischen Stralsund und Rügen, die schon mehr als nur ein technisches Bauwerk ist. Sie ist eine Linie zwischen zwei Welten.
Der Radweg verläuft parallel zur Straße, geschützt durch ein Geländer, und trotzdem offen genug, um den Strelasundblick zu atmen. Rechts: das Festland, die Stadtsilhouette von Stralsund mit ihren Türmen. Links: die ersten Schatten von Rügen, flach, fast scheu, als wollte sich die Insel nicht sofort zeigen.
Der Wind kam schräg, kalt und salzig, trieb mir Tränen in die Augen. Die Möwen schrien und kreisten über mir wie kleine Wetterwächter. Ich trat fester in die Pedale. Diese Rügendamm-Radweg-Überquerung war mehr als ein Übergang – sie war ein Ritual. Eine Prüfung. Ein Versprechen.
Als ich die Klappbrücke passierte, spürte ich, wie der Lärm des Verkehrs hinter mir leiser wurde. Rügen lag vor mir, flach und weit und voller Versprechen.
Altefähr: Ein Hafen, ein Hauch von Süden
Hinter dem Damm wird die Landschaft ruhiger, grüner. Ich ließ mich zur Uferpromenade von Altefähr rollen, einem Ort, der zwischen Ankunft und Abschied lebt. Fischerboote schaukelten sanft, ein junges Paar saß auf der Kaimauer und teilte sich ein Brötchen. Kinder jagten Tauben über den Platz vor der Kirche.
Ich setzte mich auf eine Bank direkt am Wasser. Von hier hatte ich einen der schönsten Strelasundblicke, mit den Kirchtürmen von Stralsund im Hintergrund – fast unwirklich wie gemalt. Altefähr ist ein Ort, den man nicht durchquert, sondern besucht. Für eine Pause, für einen kleinen Ausflug auf Rügen, für ein Stück Fisch und einen Sonnenmoment.
Ein Radler aus Rostock sprach mich an, er sei unterwegs auf einer familienfreundlichen Radtour über Rügen – mit seinen beiden Kindern und einem Anhänger. „Der Abschnitt bis Rambin ist perfekt dafür“, meinte er. „Wenig Verkehr, gute Wege, und am Ziel gibt’s Eis.“
Durch Felder und Wind nach Rambin
Hinter Altefähr wird die Welt weit. Der Stralsund–Altefähr–Rambin-Radweg schlängelt sich zwischen Feldern, Wiesen und kleinen Waldstücken. Ab und zu ein Hof, ein Apfelbaum, ein Reh, das am Waldrand steht und starrt.
Der Himmel spannte sich offen über mir, das Licht wurde weicher, die Farben intensiver. Kornfelder rauschten, als würde die Landschaft selbst atmen. Ich hielt oft an, nahm mir Zeit. Dieser Abschnitt der Radroute Stralsund–Rügen ist keiner, den man schnell fährt. Es ist ein Stück Land, das erlebt werden will.
In der Ferne tauchte schließlich Rambin auf – ein stilles Dorf mit rotem Backstein, mit einer kleinen, wuchtigen Kirche, deren Turm in der Nachmittagssonne glühte. Ich stellte mein Rad am Brunnen ab und trat ein. Die Kirche von Rambin, schlicht und schön, roch nach Staub und Holz. Eine Frau spielte auf der Orgel, leise, fast für sich selbst. Ich setzte mich und lauschte.
Hier, in diesem Moment, war alles still. Nur die Erinnerung an das Meer, der Damm, die Felder und der Weg klangen noch nach.
Rambin: Ein Ort für leise Ankünfte
Ich übernachtete in einer kleinen Pension am Ortsrand, wo die Fensterläden noch geklappert werden und das Frühstück selbstgekochte Marmelade bedeutet. Rambin ist kein Ort für Spektakel. Aber wer zuhört, sieht viel: einen alten Gutshof, ein Töpferatelier, eine Dorfstraße, auf der die Zeit langsam geht.
Rambin Sehenswürdigkeiten sind leise – die Kirche, das Dorfleben, die Nähe zur Natur. Aber gerade das macht diesen Ort besonders. Für eine Pause. Für ein Ankommen.